Viszerales Taping mit kinesiologischen Tapes

Viszerales Taping
Viszerales Taping

Kinesiologisches Taping ist vor allem durch den Einsatz für therapeutische Zwecke in Sport oder Physiotherapie bekannt. Hier wird es hauptsächlich bei Beschwerden des Bewegungsapparates eingesetzt – mit kinesiologischem Tape lassen sich zum Beispiel Gelenke, Muskeln, Bänder und Faszien behandeln. Auch in der Osteopathie kommt das kinesiologische Taping zur Anwendung – neben der parietalen – also den Bewegungsapparat betreffenden – Behandlung eignen sich die elastischen Tapes im Rahmen der Osteopathie aber auch viszerale Funktionsstörungen der inneren Organe wie Magen, Leber oder Darm mit dem elastischen Tape behandeln. Beide Anwendungsbereiche lassen sich sehr gut kombinieren, da vor allem in der Osteopathie von einer reflexbedingten Wechselwirkung zwischen viszeralen und parietalen Strukturen ausgegangen wird. So kann der Osteopath im Anschluss an seine Therapie ein Tape anlegen, um deren Wirkung zu verstärken und physiologische Prozesse zu unterstützen.

Wie wird die viszerale Wirkung kinesiologischer Tapes erklärt?

Die Methode des Kinesiologie Tapings (engl.: kinesiology taping) wurde in den 70er Jahren von dem Chiropraktiker Kenzo Kase entwickelt. Die elastischen Kinesiologie Tapes werden unter Anwendung verschiedener Anlagetechniken auf die Haut geklebt. Durch das Anlegen des Tapes in einer gedehnten Position der behandelten Gelenke und Muskeln, kommt es bei Annäherung bzw. Rückkehr in die angenäherte Position zur sichtbaren Bildung von Wellen im Tape. Die Haut wird durch das Tape etwas angehoben, was die Durchblutung und Stoffwechselvorgängen im Gewebe erleichtert. Über die Haut werden außerdem Reize gesetzt, die verschiedene Rezeptoren, die in der Haut liegen, ansprechen. Durch die Bewegung des Körpers kann sich die Wirkung des Tapes voll entfalten.

Aus osteopathischer Sicht lässt sich über das Tapen der Haut - beispielsweise mit unserem SL StarTape® - auch Einfluss auf innere Organe nehmen. Eine Studie von Marcin Krajczy aus dem Jahre 2007 [1] konnte beispielsweise zeigen, dass der postoperative Einsatz von kinesiologischen Tapes nach einer Choleozystektomie (Entfernung der Gallenblase) sich positiv auf Viszeralschmerzen und die Defäkation (Stuhlentleerung) auswirkt.

Für die Erklärung dieser Wirkung auf das viszerale System können unterschiedliche Konzepte herangezogen werden, die in Wechselwirkung miteinander stehen. Beim sogenannnten Faszienkonzept wird davon ausgegangen, dass über das Tapen der Haut die Faszia superfisziales beeinflusst wird, die direkt mit der Haut in Verbindung steht. Von dort werden bestimmte Informationen an das zentrale Nervensystem übermittelt und neuromuskuläre Prozesse aufgrund reflexgesteuerter Mechanismen in Gang gesetzt. Beim Schmerzkonzept geht man von einer schmerzüberlagernden Wirkung beim Taping aus, da die Informationsweiterleitung von propriozeptiven (die Tiefenwahrnehmung betreffenden) und nozizeptiven (schmerzempfindlichen) Reizen aus der Haut, den Muskeln, Faszien oder Gelenken zum Gehirn gehemmt werden soll. Das Hautkonzept beruht darauf, dass die Haut eine Vielzahl an Rezeptoren enthält, die Reize aufnehmen können. Darüber hinaus spielen hier die Dermatome der Haut eine Rolle. So gibt es nervale Verbindungen zwischen dem Viszeral-tem und bestimmten abgegrenzten Hautbereichen (den Dermatomen). Hierbei sind viszerokutane und kutoviszerale Reflexe von besonderer Bedeutung.

Das Behandlungskonzept von Georges Finet und Christian Williame, die in den 80er Jahren die Bewegungen der Organe untersuchten, kann ebenfalls für die Erklärung des Einflusses von Tapes auf die inneren Organe herangezogen werden kann. Demnach bewegen sich die organumgebenden Faszien der inneren Bauchorgane in Abhängigkeit von der atemabhängigen Bewegung des Diaphragma thoraco-abdominalis (Zwerchfell), das die Begrenzung der Bauchhöhle nach kranial (kopfwärts) bildet. Mit der Einatmung findet eine Verlagerung der Organfaszien nach unten, mit der Ausatmung eine Verlagerung nach oben statt. Begleitend gibt es noch eine rotatorische Bewegungskomponente der Faszien. Über die atemabhängige Verlagerung des Diaphragmas werden Druckverhältnisse im Körper reguliert und Spannungen reguliert. Finet und Williame entwickelten aus diesem Wissen heraus eine Behandlungstechnik, dessen Wirkung sie bildgebend belegen konnten. In dem man mobilisierend auf die äußere Haut des Bauchfells, das Peritoneum parietale einwirkte, das mit dem Peritoneum viszerale – der organumhüllenden inneren Haut des Bauchfells – verbunden ist, konnte in der Therapie die Bewegung der Organe indirekt beeinflusst werden, ohne diese selbst zu ertasten. Die Methode wurde als Faszienbehandlung beschrieben, da das Bauchfell als Faszie gilt, die alle Organe miteinander verbindet bzw. umhüllt. So findet in der Viszeral-Therapie mit kinesiologischem Taping vor allem die Faszientechnik ihre Anwendung. In dem die Bewegung der Organe reguliert wird, können nach Auffassung der viszeralen Osteopathie funktionelle Organerkrankungen behandelt werden. Ein Tape kann hierbei die manuelle Behandlung der viszeralen Bereiche sinnvoll ergänzen.

Mögliche Varianten der Behandlung mit Viszeral-Taping

Die viszerale Behandlung mit Kinesiologie Tapes kann in der Osteopathie zum Beispiel eingesetzt werden, um Funktionsstörungen des Darms positiv zu beeinflussen. Im Bereich des Dickdarms (Colon) sind mögliche Indikationen Störungen der Zirkulation im Mesosigmoid, Defäkationsprobleme oder eine Obstipation (Verstopfung). Um hier Entlastung zur bringen, kann das kinesiologische Tape in Y-Form zugeschnitten werden und im Verlauf des Dickdarms aufgeklebt werden. In diesem Fall wird der absteigende Bereich, das Colon descendens behandelt. Der waagerechte Teil, das Colon transversum kann ebenfalls getaped werden, beispielsweise bei Beschwerden wie Meteorismus (Blähungen), Darmatonie (Darmlähmung), Defäkationsstörungen oder Kongestion (erhöhte Menge an Blut). Für den Dünndarm (Intestinum tenue) bietet sich bei Problemen wie Hypersensibilität oder Kongestion eine Anlagetechnik an, bei der das Tape zu einem dünnen Streifen zugeschnitten wird und spiralförmig über dem Dünndarm angebracht wird. Ziel des Tapings in diesem Bereich ist die Verbesserung der Darmbewegung (Motilität) und des Blutflusses (Hämodynamik).

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[1] Krajczy et al. (2012). The Influence of Kinesio Taping on the Effects of Physiotherapy in Patients after Laparoscopic Cholecystectomy. The Scientific World Journal, Volume 2012, Article ID 948282 Online verfügbar unter: http://dx.doi.org/10.1100/2012/948282